Der Tierpfleger Joseph Masereka erzählt

Der Tierpfleger Joseph Masereka erzählt
18. März 2020 Doris Schreyvogel

Ich heisse Joseph Masereka. Ich wuchs auf dem Land in Uganda auf, an der Flanke des Mount Rwenzori in Kasese. Im Jahr 2014 schloss ich meine Ausbildung in Wildtier- und Ressourcen-Management am Wildtier-Forschungs- und Traisingsinstitut ab. Nach der Mittelschule hatte ich im Queen Elizabeth Nationalpark ein Praktikum absolviert, dort arbeitete ich in einem Forschungsprojekt über invasive Arten, in den Schulen und als Ranger im Park. Schon damals hatten mich die Primaten und Vögel besonders interessiert, und so beschloss ich, mich im Schimpansenschutz zu engagieren.

Ich absolvierte ein Praktikum in der Auffangstation Ngamba Island und begann, mit den Schimpansen zu arbeiten, die der Möglichkeit beraubt worden waren, mit ihren Familien im Wald zu leben. Hier lernte ich, dass Schimpansen einen Wald brauchen, in dem sie zuhause sind, und dass es einer Schimpansenmutter viel abverlangt, ein Baby aufzuziehen.

Obwohl die Schimpansinnen in der Auffangstation Hormon-Implantate tragen und eigentlich nicht schwanger werden sollten, gebar die Schimpansin Afrika 2015 einen kleinen Jungen. Afrika war damals in der Schimpansengruppe tiefrangig, darum konnte es passieren, dass die höherrangingen Weibchen ihr das Baby wegnahmen.

Wie alle Mütter hätte Afrika wohl ihr Baby sehr gerne selber aufgezogen, aber dies war nicht möglich, denn das Baby erlitt durch die unsanfte Behandlung der Weibchen einen Armbruch und Wunden am ganzen Körper. Mit Hilfe der Tierpfleger und des Tierarztes konnte der Kleine – wir nannten ihn Eazy – gerettet werden. Er bekam einen Gips am Arm, die Wunden am Körper mussten genäht werden.

Ich hatte nie vorher ein so kleines Schimpansenbaby gesehen, es tat mir sehr leid, wie es da so in der Klinik lag. Aber weil ich damals auch mit Menschenbabys keine Erfahrung hatte, interessierten mich Babys allgemein nicht sehr.

Glücklicherweise fiel die Aufgabe, dieses Schimpansenbaby aufzuziehen, auf mich. Es sollte die schwierigste Aufgabe werden, die ich je hatte.

Anfangs hatte ich keine Ahnung, was ich mit dem Baby anstellen sollte, und so rief ich meine Mutter an und fragte sie, wie man sich um Babys kümmert. Sie erklärte mir einige wichtige Dinge, und das war der Anfang. Gemeinsam mit einem Freiwilligen übernahm ich diese Aufgabe. Damals akzeptierte das Baby seine Milchflasche nicht, wir benutzten in den ersten Tagen eine Pipette. Es warm zu halten war das Wichtigste, darum trug ich es stets am Bauch, eingehüllt in warme Decken. Ich konnte mich kaum bewegen, weil ich es mit einem Arm immer festhalten musste.

Als wir so zusammen waren, wurde das Baby ein Teil von mir.

Es war auch etwas gefährlich für uns, denn die anderen Schimpansen wussten, dass ein Baby im Camp war – sie versuchten, aus dem Gehege auszubrechen, um es zu finden.

Nach einigen Tagen lernte Eazy aus der Flasche zu trinken, darum wurde das Füttern einfacher. Er wollte nie alleine sein, auch nicht in der Nacht. So zogen wir ihm Windeln an, damit er in meinem Bett schlafen konnte. Als wir so zusammen waren, konnte ich an nichts anderes denken als an dieses Baby. Meine Freunde beklagten sich, ich hätte keine Zeit mehr für sie und rufe sie nicht mehr an.

Ich erinnere mich, dass ich eines nachts träumte, zwei Schimpansen seien aus dem Gehege ausgebrochen, hätten das Baby genommen und in den Wald mitgenommen. Ich weinte im Traum vor Angst. Als ich aufwachte, lag Eazy auf meinem Bauch und saugte an meinem Daumen. Armes Baby, Joseph hatte das nächtliche Füttern verschlafen – damals brauchte Eazy noch zweimal pro Nacht die Flasche. Ich war so glücklich, dass er bei mir war, dass sich meine Augen mit Tränen füllten.

Ich stellte mir vor, welchen Schmerz Schimpansen empfinden müssen, wenn die anderen ihre Babys stehlen und diese überleben – was sehr selten ist.

Eazy und ich blieben – mit der Hilfe vom ganzen Tierpfleger-Team – zusammen bis er laufen, rennen und herumtollen konnte. Nach anderthalb Jahren begannen wir, ihn in die Schimpansengruppe zu integrieren. Es war ein stetiges Auf und Ab, weil der Kleine viele Schwierigkeiten meistern musste. Aber er hatte das grosse Glück, dass Connie, eine unsererSchimpansinnen, ihn adoptierte. Im Alter von drei Jahren war er voll in die Gruppe integriert.

Immer wenn ich ihn nun glücklich im Wald spielen sehe, staune ich von Neuem. Diese Erfahrung mit ihm hat mich gelehrt, grossen Respekt für alle Eltern zu haben, die ein Kind aufziehen.

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