Jane Goodall erzählt, wie ein Hund ihr Verständnis von Tieren für immer veränderte:
„Als ich ungefähr 15 Jahre alt war, bot ich an, mit einem wunderschönen, reinrassigen Collie namens Budleigh spazieren zu gehen. Seine Besitzerin hatte einen Süßwarenladen und sie konnte ihm nicht die Bewegung geben, die er brauchte, also war sie sehr erfreut, als ich ihr anbot, ihn jeden Tag nach der Schule abzuholen. Collies sind normalerweise sehr intelligent, aber Budleigh war es nicht. Ich versuchte und versuchte ihm beizubringen „Hände zu schütteln“ – seine Pfote zu heben, während ich den Befehl aussprach. Aber obwohl ich ihn endlos trainierte und jedes Mal mit einem Leckerbissen belohnte, konnte er es einfach nicht verstehen. Bei unseren Spaziergängen wurden wir manchmal von einem schwarzen Hund begleitet, der in einem Hotel um die Ecke von unserem Haus lebte. Er war ein Mischling, schwarz mit weißer Brust. Ich schenkte ihm nie viel Aufmerksamkeit, bis ich eines Tages wieder einmal versuchte, Buds (wie ich ihn nannte) zum Händeschütteln zu überreden. Buds starrte mich nur an, als ich „Gib Pfote“ sagte – aber plötzlich wurde mir eine schwarze Pfote entgegengestreckt. Für mich ist es ein Zeichen von Intelligenz, wenn ein Tier nicht dadurch lernt, dass es tatsächlich trainiert wird, sondern durch Beobachtung, wie einem anderen Tier etwas beigebracht wird. Ich war erstaunt. Und von da an wurde Rusty ein Teil meiner Familie.
Er kam überall mit mir mit. Seine Besitzer wussten, dass er bei mir war und schienen damit ganz einverstanden zu sein. Sobald sie ihn morgens rausgelassen hatten, trottete er zu unserem Haus und bellte, um hereingelassen zu werden. Er raste zu meinem Bett und blieb dort, bis ich aufstand. Er liebte Tricks – er konnte sitzen und betteln, sich auf die Seite rollen, wenn ich „Stirb“ sagte und ein Leckerli auf seiner Nase halten, bis ich zu ihm „guter Hund“ sagte. Dann warf er es in die Luft und fing es auf. Er lernte „die Tür zuzumachen“, durch einen Reifen zu springen und er liebte es, eine Schuh oder einen anderen Gegenstand zu jagen, den ich versteckte, nachdem ich ihn ihm gezeigt hatte und ihn daran riechen ließ. Er rannte durch den Raum und wir sagten ihm „heiß“, wenn er in der Nähe war, „kalt“, wenn er weit weg war. Natürlich habe ich es ihm mit Geduld, Liebe und Belohnung beigebracht. Ich wurde niemals wütend, während er einen neuen Trick lernte oder wenn er keine Lust dazu hatte.
Sobald Rusty wusste, was ich wollte, war er immer darauf aus, es scheinbar zu tun, nur weil es mich freute. Tatsächlich war ihm Streicheln und Kuscheln genauso wichtig wie eine Futterbelohnung.
Rusty war insofern ungewöhnlich, weil er es liebte, verkleidet zu sein. Ich konnte ihm einen Schlafanzug anziehen, ihm einen Verband um den Kopf legen und ihn ins Bett bringen. Dann stellte er sich ganz schlapp. Wir streichelten ihn sanft und sagten „armer Rusty“, und er schloss halb die Augen und spielte mit. Manchmal nahm ich ihn noch angezogen in einem alten Kinderwagen zum Spazieren mit. Natürlich sah er wirklich komisch aus, aber er hasste es, wenn man ihn auslachte. Dann ging er sofort weg und zog die Kleidungsstücke hinter sich her, also mussten wir unser Lachen verbergen.
Tatsächlich war er sehr gut im Schmollen. Und er zeigte seine Gefühle auf eine Weise, die ich bei keinem anderen Hund gesehen habe – und ich kenne viele. Wenn ich ihn für etwas schimpfte, von dem er wusste, dass es ungezogen war – wie einen Keks vom Tisch zu stehlen, tat er sehr schuldig, rollte sich auf den Rücken und entschuldigte sich. Aber wenn ich ihn wegen etwas schimpfte, von dem er noch nicht begriffen hatte, dass es sich um schlechtes Benehmen handelte – wie eine schlammige Pfote auf mein Knie zu legen – ging er und setzte sich mit dem Gesicht zur Wand, sodass seine Nase sie fast berührte. Ich konnte Worte sagen, die ihn normalerweise ganz aufgeregt machten, wie „Gassi“, oder ich konnte ihm ein Stück Essen hinhalten. Er ignorierte mich. Ich musste auf die Knie gehen, ihn umarmen und mich entschuldigen.
Ich brachte ihm bei, zu „warten“, und ich konnte fast außer Sichtweite gehen, ohne dass er sich bewegte, bis ich ihn rief. Manchmal haben wir verstecken gespielt. Ich sagte ihm, er solle warten, und ich ging so leise wie möglich und versteckte mich im Gebüsch. Wenn ich ihn rief, eilte er sofort suchend los. Natürlich muss er gewusst haben, wo ich war – er konnte hören, von wo ich rief. Und manchmal kam er so nah vorbei, dass er mich gesehen oder gerochen haben muss. Aber er schien zu denken, dass es mehr Spaß machte, weiter zu suchen!
Damals war Fernsehen neu und sehr teuer. Irgendwann bekamen wir ein sehr kleines Gerät – es war schwarz-weiß, noch ohne Farbe. Trotzdem hat Rusty immer interessiert mitgeschaut, wenn es eine Sendung über Tiere war. Der Rest langweilte ihn, da schlief er ein.
Wir wohnten ungefähr 10 Minuten vom Meer entfernt und Rusty liebte es zu schwimmen. Im Sommer ging ich an den meisten Tagen schwimmen und Rusty kam immer mit. Dann stellten wir fest, dass er manchmal, wenn es im Sommer sehr heiß war und ich nicht in der Nähe war, alleine an den Strand ging, ein kurzes Bad nahm und wieder nach Hause kam. Wir wussten es, weil wir ihn aus der Ferne beobachtet haben.
Ich hasste es von zu Hause weg zu sein. Als ich einen Job in London bekam, fuhr ich fast jedes Wochenende nach Hause, um bei der Familie zu sein – vor allem aber bei Rusty. Einmal verletzte er sich an der Pfote. Wir machten alle viel Aufhebens um ihn. Ich war zwei Wochen weg und schockiert, als ich zurückkam und er immer noch humpelte. Dann sah ich, wie meine Familie ihr Lachen unterdrückte. Denn es ging ihm seit mindestens einer Woche wieder gut – aber als er mich sah, wollte er einfach noch mehr besondere Anteilnahme!
Ich habe so viel von Rusty gelernt. Er hat mir bewiesen, dass Tiere Verstand, Persönlichkeit und Gefühle haben. Dies gab mir große Kraft in meinen Überzeugungen und meiner Arbeit mit Schimpansen. Rusty starb, bevor ich nach Afrika ging. Ich hätte nicht gehen können, wenn er am Leben gewesen wäre.“