Sind Keas monogam und wie intelligent sind Raben? Spannende Informationen zu diesen und vielen weiteren Fragen bekamen unsere BeJane-Mitglieder am 15.07. im Rahmen einer Exkursion zur Forschungsstation Haidlhof. Auf dem Gutshof nahe Bad Vöslau in Niederösterreich wird in einer Kooperation der Veterinärmedizinischen Fakultät und der Universität Wien nicht-invasiv an diesen Vögeln geforscht. Ein Rückblick auf eine Führung voll interessanter, lustiger und erstaunlicher Einblicke in das Leben der Tiere und Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung.
Tierpfleger Florian Vogel (ja, sein Name passt perfekt) empfängt uns am Eingang zur Forschungsstation, die 2010 gegründet wurde. Seit 10 Jahren kümmert er sich mit großer Leidenschaft um die gefiederten Bewohner der Forschungsstation. Er kennt jeden Vogel beim Namen, weiß über Vorlieben und Besonderheiten Bescheid. Zuerst lernen wir die Keas kennen.
Sofort werden wir neugierig von den 30 neuseeländischen Bergpapageien beäugt.
Die neophilen Vögel – in Neuseeland hatte die Art über Jahrhunderte keine natürlichen Feinde – gehen neugierig auf alles und jeden zu. Düsen im oberen Teil des Geheges vernebeln Wasser. Florian erklärt uns, dass die Abkühlung an heißen Tagen wie heute, mit über 30 Grad im Schatten, nicht purer Luxus, sondern überlebenswichtig für die Vögel ist. In den Bergen Neuseelands hat es so gut wie nie über 28 Grad, daher ist die Sommerhitze eine Bedrohung für diese Papageien. Wie viele Arten sind leider auch die Keas vom Aussterben bedroht. Mit der Ankunft der Schafzüchter und ihrer Herden begannen die neugierigen Vögel die Fettpölster am Rücken der Schafe mit ihren langen Schnäbeln anzuknabbern. Von da an wurden sie bejagt und sogar ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Heute leben nur mehr 2.500 – 6.000 Keas in freier Wildbahn.
Wir sind jedenfalls begeistert von den Keas, die sich ihre Rangordnung innerhalb der Gruppe spielerisch sowie durch das Suchen von Verbündeten ausmachen. Oft wird behauptet, so Florian, Keas seien monogam. Seine Beobachtungen lassen diesen Schluss nicht zu. Es verhält sich eher so wie bei uns Menschen. Und dass es auch bei einer der ursprünglichsten Papageienarten Verzweiflungshandlungen gibt, sehen wir bei Sunny. Das Kea-Weibchen sieht aus wie gerupft. Vor einigen Jahren „verliebte“ sie sich in Linus. Das junge Kea-Männchen hatte jedoch schon eine Partnerin. Während der Brutzeit wurde dem Jüngling die ausschließliche Versorgung seiner Partnerin aber zu langweilig. Bei Sunny fand er Zerstreuung. Als jedoch die Mutter seiner Kinder mit dem Nachwuchs aus dem Brutbereich in die Gruppe zurückkehrte, tat Linus so, als kenne er Sunny gar nicht. Mit gebrochenem Herzen verfiel das verschmähte Weibchen in eine Depression und begann sich die Federn zu rupfen. Auch mehrere Jahre später und trotz sämtlicher Bemühungen durch die Tierpfleger:innen, kann Sunny mit dem selbstzerstörerischen Verhalten nicht aufhören.
CSI Kea
Keas können – im Gegensatz zu uns Menschen – ultraviolettes Licht sehen. Sie nutzen es jedoch nicht zur Verbrechensaufklärung. Die Schnäbel und Augenpartie der Jungvögel, die heller sind als bei den Erwachsenen, nehmen sie als leuchtenden Kopf wahr. Alle derart „markierten“ Vögel werden von allen Keas der Gruppe gefüttert – praktisch oder? Dieser natürliche Überlebensbooster sorgt dafür, dass die Jungvögel mit mehr als 1kg Körpergewicht in ihren ersten Winter starten. Ein ausgewachsener Bergpapagei wiegt durchschnittlich 600 – 900g.
Wir erfahren auch eine Menge über die Kooperationsfähigkeiten der Art, die Wissenschaftler:innen in Studien am Haidlhof herausgefunden haben. Und gleich vorweg: auch bei den Keas gibt es Musterschüler:innen und solche, die nicht so motiviert bei den Versuchen mitmachen. Im Zuge der Forschung stellte sich unter anderem heraus, dass die grau gefiederten Vögel besser schätzen können als wir Menschen. Und die Papageien „spielen“ (wie wir?) gerne am Tablet bzw. Computer.
„Was wir in der Arbeit mit den Tieren jeden Tag erfahren ist, dass wir nicht in Schubladen denken dürfen. Diese Vögel – wie so viele andere Tierarten – können deutlich mehr als wir Menschen ihnen zutrauen“.
Dank Florians lebhaften Erzählungen nehmen die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Tiere auch für uns Gestalt an. Und wir freuen uns riesig, dass wir Gelegenheit bekommen, die Keas zu füttern. Ganz zart nehmen sie das Körnchen aus unseren Händen. Und noch einen wissenschaftlichen „Fun-Fact“ gibt uns Florian mit:
„Keas haben ein ansteckendes Lachen. Diese Eigenschaft wurde lange nur Menschen bzw. später auch Menschenaffen zugestanden. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass auch die Keas sich von der guten Laune eines anderen Bergpapageien anstecken lassen.“
Von den Keas – das Gehege ist mit einem Zahlenschloss gesichert, weil alle anderen Mechanismen haben die Vögel zu knacken gelernt – geht es weiter zu den Kolkraben.
Raben waren Mitte des letzten Jahrhunderts bei uns beinahe ausgestorben.
Diese intelligenten Vögel wurden – oft wegen Aberglaubens – stark bejagt. Pestizide, die auf Feldern versprüht wurden und von den Insekten aufgenommen wurden, führten außerdem dazu, dass die Eierschalen der Raben so dünn waren, dass die Eier brachen, wenn sie brüteten. Dieser Zusammenhang konnte leider erst belegt werden, als es für die Rabenpopulation schon fast zu spät war.
Klug und nachtragend
Florian macht uns mit Astrid bekannt. Die Rabendame kommt sofort auf ihn zu, während sich der Rest der Gruppe im Hintergrund hält. Raben sind im Gegensatz zu den Keas nicht neophil. Aber sehr klug – und nachtragend. Wenn die Pfleger:innen am Haidlhof die Futterreste, die die Raben sorgsam vor dem „Personal“ und den Artgenossen versteckt haben, aus Hygienegründen entfernen, dann reagieren sie unmittelbar mit Reserviertheit. Anders als die Keas gibt es bei den Raben auch richtige Kämpfe um die Rangordnung, die mitunter tödlich enden können.
Raben sind die sorgsameren, verantwortungsbewussteren Eltern.
Und – so die Erfahrung in der Forschungsstation – in der Regel wesentlich treuer als Keas. Bei den Schwarzgefiederten hat Florian in all den Jahren erst eine Trennung – dramatischer Rosenkrieg inklusive – erlebt. Die Rabendame Astrid hatte bei der Partnerwahl auch kein Glück. Ihr erster Auserwählter entkam, der zweite verstarb nach einer Infektion. Seither hat sie sich nicht mehr gebunden.
Heute, so erzählt Florian, sind die anderen Raben ihm gegenüber besonders zurückhaltend und melden lautstark seine Präsenz, weil er gestern die Jungvögel eingefangen hat. Der Rabennachwuchs wird, sobald er alt genug ist, nach Grünau im Almtal gebracht und später freigelassen. Von dort verfolgen die Forscher:innen die Spuren in viele europäische Länder. Besonders beliebt bei den Raben ist, neben ihrem Geburtsland, Deutschland. Wieso das so ist, ist noch Gegenstand der Ermittlungen.
„Was wir dank der Forschungen wissen ist, dass Raben erworbenes Wissen über Generationen weitergeben. Und sie erkennen Gesichter selbst nach mehreren Jahren – vor allem, wenn der Mensch böse Absichten hatte – sie zum Beispiel gefangen und markiert hat.“
Sogar nicht markierte Vögel reagierten später auf die bösen Gesichter, weil die Artgenossen sie gewarnt hatten, so Florian. Auch Krähen, die es auch gibt in der Forschungsstation, verfügen über diese Fähigkeit. Schon der berühmte Verhaltensforscher Konrad Lorenz schlüpfte deshalb in ein Teufelskostüm, wenn er Krähen fing und kennzeichnete, damit sie beim nächsten Mal nicht alarmiert vor ihm fliehen würden. Eine ähnliche Studie mit einer Verkleidung läuft auch am Haidlhof – mit denselben Ergebnissen.
Die BeJane-Mitglieder und das JGI Team könnten Florian noch stundenlang zuhören. Bei Brötchen und Erfrischungen gibt es zum Abschluss noch Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Wir danken Florian und dem gesamten Team des Haidlhofs für dieses einmalige Erlebnis!
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