Nikola Reiner-Rautek | 16.04.2021
Der 9. Mai, Muttertag. Ein jährlich wiederkehrender Fixpunkt im Kalender. Eine Festivität, die irgendwo zwischen Rührseligkeit und Skepsis changiert. Doch werden Rituale wie Frühstückszubereitung, Reim-dich-auf-Mama-Gedicht und beinahe selbstgebastelte Geschenke dem tieferen Sinn des Tages gerecht? Das klassische Rollenbild der Mutter hat sich gewandelt. Die Anforderungen auch. Viele Mütter sind heute mit Job, Haushalt, Kindererziehung und als Ersatzlehrerin beim Distance Learning zumindest doppelt gefordert. Wir haben uns bei den fünf Müttern in unserem Team umgehört und wissen jetzt, was Mütter sich wirklich wünschen. Die Ergebnisse sind spannend und aufschlussreich. Falls Sie sich jetzt fragen, was das mit der Arbeit einer NPO zu tun hat, die sich dem Schutz der Schimpansen und der Artenvielfalt widmet, lesen Sie bitte noch kurz weiter. Es geht auch um „Clever Girls“ und dass Mütter an vorderster Front der Klimakrise kämpfen.
Diese Zeilen entstehen, während ich im Badezimmer sitze, den Wäschekorb umgedreht als Laptoptisch verwendend. Warum? Der Küchentisch vulgo Lockdown-Arbeitsplatz von Junior 1 und mir ist mit Schulsachen übersät, das Kinder=Spielzimmer gleicht einer Modern Art-Installation aus Bastelkartons und Junior 2 beschallt das Wohnzimmer mit „Paw Patrol“. Das schlechte Gewissen nagt an mir, weil ich in meiner regulären Arbeitszeit nicht fertig geworden bin. Wenn man’s positiv sehen will, habe ich stattdessen meine Englisch-Kenntnisse aufgefrischt, berechnet auf welches Volumen eine 2l-Flasche Wasser anwächst, wenn sie zu Eis gefriert, abgeprüft wie eine Kläranlage im Detail funktioniert und gerätselt wie man ein Flechtmuster möglichst plastisch zeichnet. Offen sind das Backen eines Brotes nach Art der alten Ägypter für Geschichte mit Junior 1 und ein Geburtstagskuchen für die Stofftiere von Junior 2. Die haben leider ziemlich oft Geburtstag, was uns immerhin süße (Seelen-)nahrung im Lockdown beschert.
Ich schließe die Augen um nicht das stille Mahnmal unerledigter Hausarbeit vor mir zu sehen: die überfüllte Wäschebox. In Gedanken stelle ich eine erste Liste zusammen, was ich mir zum Muttertag wünsche. Mamis sind gut im Listen machen! Unterstützung bekomme ich bei einer kurzen Mailumfrage von meinen Kolleginnen. Diese Frauen sind alle echt toll! Ich habe selten ein so wertschätzendes Arbeitsklima erlebt, bei dem so viel weitergeht. Alle wissen um die Herausforderungen vor denen wir als Mütter stehen, sind unglaublich effizient, engagiert und auch Humor und kontroverse Ansätze dürfen ihren Platz haben. Blick über den Tellerrand erwünscht.
Denn bei allen Herausforderungen vor denen wir in Österreich als Mütter stehen – unsere Kolleginnen in Afrika haben viel größere Sorgen. In den meisten unserer Projektgebiete in Uganda, dem Kongo und Südafrika waren die Schulen über ein Jahr geschlossen. Fernunterricht ist dort schlicht nicht möglich. Soziales Netz oder Staatshilfen: nicht vorhanden. Die prekäre finanzielle Lage durch den Wegfall des Tourismus steigert den Druck. Gewalt in der Familie nimmt zu. Viele junge Mädchen werden nach Corona nicht in die Schule zurückkehren, sondern kurz nach der Pubertät heiraten und Kinder bekommen. Ein Verlust von Freiheit und Zukunft, der sich unmittelbar auf das rasante Bevölkerungswachstum auswirkt. Von 1960 bis 2020 ist die Bevölkerung in Uganda von 6,79 Mio. auf 46,3 Mio. angewachsen – ein Wachstum von 560%! Oder anders dargestellt: Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt! Die jungen Mütter haben also wenig Zeit sich Gedanken darüber zu machen wer sie sein möchten.
In unserem „Clever Girls“ Projekt versuchen wir Mädchen in ihrer persönlichen Entwicklung hin zu einem selbstbestimmten Leben zu unterstützen. Sie sollen ihre Chancen auf Bildung nützen können. Denn Frauen stehen in Afrika an vorderster Front im Einsatz gegen Klimakrise und der Entwaldung. Bildung von Mädchen durchbricht nicht nur den Armutszyklus und reduziert die Geburtenrate von derzeit 6,7 Kindern pro Mutter in Uganda, sie macht Frauen zu Führungspersönlichkeiten in ihrer Community, bremst das Bevölkerungswachstum und verringert den Druck auf natürliche Ressourcen, belegen Zahlen der UNESCO.
All das sind Dinge, die uns Mut machen. Für die sich der tägliche Stunt aus Job, Haushalt und Kindern lohnt. Trotzdem wird in meinem Badezimmer-Office die Liste der Muttertagswünsche immer länger. Neben mir seufzt der Hund. Er will endlich raus. Also gut, den Feinschliff der Liste mache ich am Abend…
WAS MÜTTER SICH WIRKLICH WÜNSCHEN – MEHR ALS AN EINEM TAG IM JAHR, RUND UM DEN GLOBUS:
1. MEHR ZEIT
Für sich selbst, für Reflexion, für Entspannung oder einfach um Dinge zu tun, die Freude bereiten ohne an die Aufgabenflut denken zu müssen. Denn fest steht: Es sind noch immer größtenteils die Mütter, die Job, Haushalt und Kinder unter einen Hut bringen müssen und damit nicht selten überfordert sind. Mehr Zeit zu haben, ist heutzutage ein unerhörter Luxus. Ja, auch in Zeiten des Lockdowns. Ausschlafen – himmlisch. Bekocht werden – lecker, sofern auch das Aufräumen der Küche dazu gehört. Sich nicht darüber den Kopf zerbrechen müssen, wie zwei weitere Wochen Distance Learning mit der eigenen Arbeitszeit vereinbar sind. Familiärer Zeit-Ausgleich wäre ein Anfang.
2. MEHR ANERKENNUNG
Für all die Dinge, die Mütter „so nebenbei“ machen (müssen). Der Haushalt, das Besorgen von Notwendigkeiten des täglichen Gebrauchs, die Terminkoordination aller Familienmitglieder. Diese Arbeiten, die dem Allgemeinwohl dienen, verdienen Würdigung. Idealerweise Bezahlung. Doch meist werden sie als Selbstverständlichkeit oder „eh nicht so aufwendig“ belächelt. Oft wird erst bemerkt wie wertvoll die Arbeit der Mutter ist, wenn die Familien-Managerin ausfällt.
3. MEHR LEICHTIGKEIT
Ich kann mich noch gut erinnern, wie mein Herz einen Sprung gemacht hat, als mein Sohn zum ersten Mal „Mama“ gesagt hat. Heute habe ich mitgezählt: nach dem Frühstück waren wir bei 23x. Und da war es noch nicht 8 Uhr. „Mama“ ist für meine Kinder ein Universalwort: Krisen, Beschwerden, Aufträge, Wünsche – Mama soll’s richten. Zum Geburtstag hat mir Junior 1 eine megaliebe Karte gezeichnet: eine Weltkugel die umrahmt ist vom Schriftzug „Du bist die beste Mama der Welt“. Umwerfend! Interessant ist: er hat in dem Satz zuerst das Wort „beste“ vergessen und nachträglich dazugeschrieben. Instinktiv hat er erkannt: Es liegt ganz tief in uns Müttern, sich um alles Gedanken zu machen. Wir wollen nicht nur, dass es unserer Familie gut geht. Wir sorgen uns auch um ein friedvolles Miteinander, die Vielfalt der Arten und das Wohl des Planeten. Der Wunsch nach mehr Leichtigkeit zieht sich durch alle Ebenen: von unseren Bedürfnissen als Individuum bis zu einer Entlastung des großen Ganzen. Mehr Leichtigkeit wäre schön, wenn unsere Bemühungen vom Rest der Familie aktiv mitgetragen werden. Ach ja, und mehr Lachen.
4. MEHR FREIHEIT
Der Vater fährt auf Geschäftsreise und denkt sich überhaupt nichts dabei. Ob es deswegen zu Hause organisatorische Probleme gibt? Er geht davon aus, die Mutter seiner Kinder regelt das Notwendige. Sie tut das auch, was zeigt, dass sich in der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau seit den 1960ern wenig geändert hat. Argumentiert wird das mit dem besseren Gehalt des Mannes, der die Familie ernährt. Ein Bild mit Schieflage, denn was nährt uns? Wo sind in der Rechnung Liebe, Zuwendung und Zeit? Die unentgeltliche Arbeit der Frau fällt aus der Bewertung. Als Folge kommt ihr die Freiheit flexibler Zeitdisponierung abhanden. Hat Mama einen Termin auswärts, muss sie, ganz anders als der vogelfreie Vater, alles organisieren, damit der Laden während ihrer Abwesenheit weiterläuft.
5. MEHR CHANCENGLEICHEIT
Ein gesellschaftliches Umdenken, das den gerade heranwachsenden Generationen den Wert von Chancengleichheit, Verantwortung und sozialer Kompetenz vermittelt und gesetzliche Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen. Viel zu oft wird unter dem Deckmantel der Selbstverwirklichung eigenes Wohlbefinden, eigener Spaß, die eigene Karriere und das eigene Geld in den Himmel gehoben. So werden Väter aus der Verantwortung entlassen und Kindern das Bild vermittelt, dass diese Aufteilung normal und gerecht ist. Umgekehrt müssen auch Väter, die diesem traditionellen Rollenbild nicht mehr entsprechen möchten, Akzeptanz und Unterstützung seitens der Gesellschaft und des Arbeitgebers erfahren. Ein gerechtes Pensionsmodell, dass Mütter vor Altersarmut bewahrt, ist ein weiterer längst fälliger Schritt, bei dem Mütter nicht mehr finanziell bestraft werden, dass sie sich um die Kindererziehung kümmern.
Wenn Sie den Text bis hierher gelesen haben und jetzt ein bisschen ratlos sind ob der Größe von Mama’s Wünschen – machen Sie den Anfang mit einer kleinen Aufmerksamkeit! Zu den großen Wünschen können Sie übers ganze Jahr mit Achtsamkeit und Wertschätzung beitragen. Die kleine Geste für den Anfang zeigt, dass Mama’s Bemühungen für eine lebenswertere Welt auf fruchtbaren Boden fallen: Saatkissen statt Schnittblumen. Vielleicht mit dem augenzwinkernden Zitat von Christian Morgenstern: „Ich habe heute ein paar Blumen nicht gepflückt, um dir ihr Leben zu schenken.“
Die wunderschönen, handgemachten Saatkissen gibt es um 7 Euro bei uns. Der Erlös dieser und vieler weiterer nachhaltiger Geschenke in unserem Shop – wie der GOODWILL-Gin für eiserne Mutternerven – geht direkt in unsere Projekte und bereitet doppelt Freude. Bitte bis 4. Mai bestellen, damit sie rechtzeitig ankommen!