#BeJane im Wildnisgebiet: „Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume“

#BeJane im Wildnisgebiet: „Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume“
6. Juli 2022 Doris Schreyvogel

Fetzblauer Himmel, strahlender Sonnenschein, frische Bergluft und das Rauschen eines Gebirgsbachs bildeten das perfekte Begrüßungskomitee für unsere #BeJane-Mitglieder im Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal. #BeJane-Mitglieder sind Menschen, die unsere Arbeit zum Schutz von Mensch, Tier und Natur im Sinne von Jane Goodall aktiv unterstützen. Als kleines Dankeschön versorgen wir sie mit spannenden Hintergrundinfos zu unseren Projekten, Naturschutz im Allgemeinen und mit so tollen Ausflügen wie jenem ins Wildnisgebiet.

 

Am 18. Juni luden wir unsere #BeJane-Mitglieder zu einem „Waldspaziergang“. Aber nicht in irgendeinen Wald. In das Weltnaturerbe Buchenwälder. Wildbiologin Nina Schönemann vom Wildnisgebiet machte aus der Tageswanderung ein einmaliges Erlebnis:

Wir starten im südwestlichen Niederösterreich, an der Grenze zur Steiermark. Hier liegt, inmitten eines Schutzgebiets, der größte Urwaldrest des Alpenbogens. Ganze 35 km² umfasst das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal, 4 km² davon sind Urwald. Das Schutzgebiet wurde 2017 zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt (das einzige in Österreich) und ist ein Musterbeispiel dafür, wie wir Wildnis bewahren und sekundäre Wildnis wieder entstehen lassen können. Der Großteil des Gebiets ist Naturzone ohne menschlichen Eingriff. Hier wird die natürliche Prozessdynamik zugelassen. Der Mensch ist nur Gast.

Ein Besuch im Wildnisgebiet ist etwas Besonders. Nur 200 Besucher:innen jährlich dürfen in die erweiterte Zone des Wildnisgebiets. Mit unseren #BeJane-Mitgliedern besuchen wir das UNESCO Weltnaturerbe Buchenwälder, um in der Randzone des Schutzgebiets hautnah zu erfahren, was diese Baumart so einzigartig macht und was das Besondere an einem Welterbe ist.
Nach einem ersten Aufstieg entlang eines schmalen Pfads, tauchen wir mit allen Sinnen in den Wald ein. Nina Schönemann erzählt vom Pionierwald aus Birken, der einst hier stand und vom Schlusswald aus Tannen, Fichten und Buchen, auf den wir jetzt blicken. „Der Wald macht sich sein eigenes Klima. Er sorgt für Regen, weil er die Wolken aufhält. Berücksichtigt man alle Aspekte des Waldes, so ist er weit mehr als die Summe seiner Bäume“, erklärt Nina bei einer Rast mit Ausblick auf die umliegenden Gipfel. Wir sind alle per Du – eine Tageswanderung in so ein spezielles Gebiet ist ja etwas ziemlich Persönliches.

Die Rotbuche – seit der Eiszeit eine einzigartige Spezies. Unbeeinflusste, intakte Buchenwälder sind heute extrem rar geworden, so Nina. Seit dem Mittelalter wurden die Waldflächen in den Tallagen Europas vielerorts zugunsten von Landwirtschaft und Siedlungsraum gerodet oder forstwirtschaftlich genutzt. Das Besondere an den Buchenwäldern im Wildnisgebiet ist der ungestörte und fortlaufende evolutionäre Prozess, der seit der letzten Eiszeit im Gange ist.

„Ohne Einwirken des Menschen wäre Mitteleuropa nicht nur ein Waldland, sondern auf erheblichen Flächen ein Land der Buche. Buchenwälder galten lange als artenarm, doch heute weiß man, dass sie durch ihre Ausbreitung einer Vielzahl an Pflanzen, Pilzen und Insekten die Besiedelung ermöglichten“, berichtet Nina. Wir stehen in einem Buchenwäldchen auf einem Berghang. In unserer Mitte liegt ein umgefallener Baum. Längst haben es sich Insekten darin gemütlich gemacht, die wiederum Spechte angelockt haben. Mit ihren Schnäbeln bereiten sie den Platz für Pilze. Diese Lebensgesellschaften sind, wie viele andere im Wald, durch die gemeinsame Entwicklung aufeinander abgestimmt, was das Ökosystem sehr resistent gegenüber Störungen macht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Je älter der Baum, umso größer der Lebensraum, den er bietet. Während ein Forst eigentlich nur ein „Acker mit Bäumen“ ist, so Nina, wo Fichten nach 60 bis 80 Jahren entnommen werden, werden Sie im Wildnisgebiet bis zu 700 Jahre alt. Hier gibt es, schmunzelt Nina, eine höhere Dichte an Spechtarten, als laut Lehrbuch möglich ist. Wir staunen und wandern weiter den Berg empor. Überall umgibt uns lebendiges Grün. Bei der nächsten Rast erzählt Nina über die faszinierende Welt der Pilze und wie sie mit Bäumen Nährstoffe und Zucker austauschen. So bekommt jede Art etwas, das sie selbst nicht hat. Dementsprechend gibt es im Welterbe keine Schädlinge. Jede Art hat ihren Platz und ihren Nutzen. „Wir lernen hier täglich Neues über die faszinierenden Beziehungen des Ökosystems“, so Nina. Entsprechend viele waldökologische Erkenntnisse stammen aus unbewirtschafteten Wäldern.

Auf einem Bergrücken steht eine alte Eibe. Diese Baumart wurde vom Menschen beinahe ausgerottet, weil es einerseits begehrtes Holz für Bogenschützen war und andererseits tödliche Bedrohung aus Sicht der Bauern. Diese trieben ihre Rinder früher in den Wald zur Futtersuche. Anders als die Waldtiere, fraßen die Kühe jedoch die giftigen Beeren des Hartholzes. Wir laben uns ein kleines Stück weiter an der mitgebrachten Jause, plaudern über Jane Goodall und ihre Mission.

Im Gänsemarsch geht es am Nachmittag über einen schmalen Pfad wieder hinab ins Tal. Eine Rast bei einem gluckernden Gebirgsbach bringt eine angenehme Erfrischung. Wir füllen unsere Trinkflaschen auf und genießen das belebende Nass aus den Bergen. Weiter unten zeigt uns Nina anhand eines umgefallenen Baums, dass diese Waldbewohner, wenn sie ungezüchtet wachsen dürfen, einen drehenden Wuchs aufweisen. Bäume schwingen sich in Kreisen dem Himmel entgegen – klingt irgendwie schön, oder?

Wir verlassen das Wildnisgebiet mit vielen Eindrücken und der Erkenntnis, dass dieser Lebensraum einfach wunderbar und unendlich schützenswert ist. 88% der europäischen Wälder wären Buchenwälder, wenn der Mensch nicht eingegriffen hätte. Das Wildnisgebiet macht dies erfahrbar und hält für die Besucher:innen unendlich viele Geschichten und Erlebnisse bereit. Wir müssen nur die Augen öffnen, zuhören und uns als Teil des großen Ganzen erfahren.

Ganz im Sinn von #BeJane: Be curious, be respectful, be part of our family!

 

SIE MÖCHTEN AUCH TEIL DER #BEJANE COMMUNITY WERDEN?