Großer Erfolg: Kein Patent auf gentechnisch veränderte Schimpansen!

Großer Erfolg: Kein Patent auf gentechnisch veränderte Schimpansen!
5. Juli 2020 Doris Schreyvogel

Großartige Nachrichten haben wir vom Jane Goodall Institut – Deutschland erhalten:

Aus ethischen Gründen hat das Europäische Patentamt (EPA) zwei Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen für ungültig erklärt. Alle Ansprüche auf gentechnisch veränderte Versuchstiere müssen jetzt aus den betroffenen Patenten gestrichen werden. Die Technische Beschwerdekammer des EPA entsprach damit Einsprüchen und Beschwerden, die von einem breiten Bündnis von Tier- und Umweltschutzorganisationen eingereicht worden waren. Das europäische Patentrecht verbietet Patente auf die genetische Veränderung von Tieren, wenn daraus Tierleid resultieren kann. Einzige Ausnahme sind Fälle, in denen tatsächlich ein erheblicher medizinischer Nutzen vorliegt. Dieser Nutzen war nach Ansicht des EPA nicht vorhanden. Es ist das erste Mal, dass das EPA diese Regel so restriktiv auslegt. Die Entscheidung ist auch für andere Fälle bindend.

Die Einsprüche wurden 2012 und 2013 eingelegt und betreffen Patente der US-Firma Intrexon (EP1456346 und EP1572862), die jetzt Precigen heisst. In den Patenten werden gentechnisch veränderte Schimpansen und andere Tierarten als ‚Erfindung‘ beansprucht, die für Tierversuche verwendet werden sollen. In das Erbgut dieser Tiere sollen laut Patent Gene eingefügt werden, die aus Insekten stammen. Die Aktivität dieser Gene soll dann durch Verabreichung zusätzlicher chemischer Substanzen beeinflussbar sein. Die Firma spricht von einem ‚Gen-Schalter‘.

Foto: M.Ottersbach/ Pixelio

Foto: M.Ottersbach/ Pixelio

 

 

 

 

 

 

 

Großer Erfolg für Bündnis von Umwelt- und Tierschutzorganisationen

Gegen die Patente Einspruch erhoben hatten die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Cruelty Free International, der Deutsche Tierschutzbund, das Gen-ethische Netzwerk (GeN), die Gesellschaft für ökologische Forschung, das Jane Goodall Institut (Deutschland), Kein Patent auf Leben!, Bundesverband Menschen für Tierrechte, Pro Wildlife, die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG), Schweizer Tierschutz (STS), TASSO, Testbiotech und die Wild Chimpanzee Foundation Deutschland (WCF). Unterstützt wurden die Einsprüche von rund 14.000 Einzelpersonen.

„Ich begrüße die Entscheidung des EPA, zwei Patente auf gentechnisch veränderte Schimpansen aus ethischen Gründen zu widerrufen. Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten, die 98.6% der Zusammensetzung unseres Erbgutes mit uns teilen. Alle, die verstanden haben, dass die gentechnische Veränderung dieser Affen und anderer empfindungsfähiger Tiere nicht akzeptabel ist, werden dieses Urteil begrüßen“, sagt Dr. Jane Goodall, weltweit bekannte und angesehene Verhaltensforscherin, Gründerin des gleichnamigen Jane Goodall Instituts und UN Friedensbotschafterin. „Das EPA hat hier eine weise und verantwortungsvolle Entscheidung getroffen, die ein klares Signal an alle WissenschaftlerInnen aussendet, die leidensfähige Tiere nur als ein Werkzeug der Forschung sehen.“

Die Einsprüche des Bündnisses wurden 2015 zunächst zurückgewiesen. Dagegen legten die Einsprechenden 2016 Beschwerde ein. Ende 2019 kündigte die Beschwerdekammer an, dass sie beabsichtige, den Beschwerden stattzugeben. Der Patentinhaber stimmte daraufhin einer Streichung aller Ansprüche auf gentechnisch veränderte Tiere zu. Jetzt hat die Beschwerdekammer endgültig entschieden und die Einspruchsabteilung angewiesen, das Patent entsprechend abzuändern (Entscheidungen T0682/16 und T0789/16).

„Es hat fast 30 Jahre gedauert“

Ruth Tippe von der Initiative Kein Patent auf Leben!, die seit vielen Jahren gegen derartige Patente kämpft, begrüßt die Entscheidung: „Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis das EPA an diesen Punkt gelangt ist und zum ersten Mal die Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren stark einschränken will. Wir fordern nach wie vor ein generelles Verbot von Patenten auf Tiere aus ethischen Gründen.“

Ist dies der Wendepunkt?

Die aktuelle Entscheidung könnte tatsächlich zu einem Wendepunkt führen. Bereits seit 1992 ist die Patentierung von Tieren in Europa heftig umstritten. Damals wurde in Europa erstmals ein Patent auf gentechnisch veränderte Säugetiere erteilt, das Patent auf die sogenannte ‚Krebsmaus‘. Seitdem wurden vom EPA tausende ähnlicher Patente erteilt, meist auf Versuchstiere, zum Teil aber auch auf landwirtschaftlich genutzte Tiere wie Rinder und Schweine. Die Patentierung von Versuchstieren ist zwar nicht völlig verboten, sollte aber jetzt auf wenige Ausnahmefälle eingeschränkt sein.

„Mit diesem Urteil sollten wenigstens Patente auf landwirtschaftlich genutzte Tiere wie Kühe und Schweine der Vergangenheit angehören, da hier keinerlei medizinischer Nutzen zu erwarten ist“, fordert Gudula Madsen vom Gen-ethischen Netzwerk.

„Versuche an Menschenaffen sind ein absolutes No-Go“

„Versuche an Menschenaffen oder gar Patente auf sie sind ein absolutes No-Go“, so Sandra Altherr von Pro Wildlife. „Das Urteil des Europäischen Patentamtes ist erfreulich deutlich und richtungsweisend.“

„Wir fordern ein vollständiges Verbot der Patentierung von Tieren. Fühlende Lebewesen zu ‚Erfindungen‘ oder Objekten zu degradieren, derweil sie in der Forschung an Stelle des Menschen leiden müssen, ist ethisch nicht akzeptabel“, sagt Stephanie Link, Referentin für Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund.

„Auch mithilfe des EPA haben manche Firmen das Leid von Tieren zum profitablen Geschäft gemacht. Der Verkauf von gentechnisch veränderten Versuchstieren wird sogar mit Sonderangeboten und Werbegeschenken beworben“, sagt Christoph Then für Testbiotech. „Wir hoffen, dass das EPA jetzt verstanden hat, dass man mit Tierleid keinen Profit machen darf. Wir werden auch die weitere Entwicklung aktiv begleiten.“ Die Patente werden jetzt zurück an die Prüfungsabteilung verwiesen und können nur in veränderter Form aufrecht erhalten werden. Dabei müssen alle Ansprüche auf Tiere gestrichen werden.

Offizielle Pressemitteilung (Text: testbiotech)

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ZWEI PATENTE AUF GENTECHNISCH VERÄNDERTE SCHIMPANSEN ABGEWIESEN.

Ein Kommentar von Dr. med. vet. Ulrike Beckmann, 3. Vorstand – Scientific Advisor / Jane Goodall Institut – Deutschland

Schon seit den 1980er Jahren werden Tiere für Tierversuche gentechnisch verändert und dann patentiert. Deshalb leiden z.B. Mäuse und Ratten, denen schnell Tumore wachsen, oder andere Säugetiere, denen ein besonders schwaches Immunsystem vererbt wird, in den Versuchslaboren der Pharmaindustrie.

Zweifel am Sinn solcher Versuche und an ihrer Übertragbarkeit auf den Menschen existieren, seitdem man mit diesen Versuchen angefangen hat.

Nun hat die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) zum ersten Mal eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Ansprüche der Firma INTREXON (heute: PRECIGEN) auf gentechnisch veränderte Schimpansen und andere Tiere wurden als nicht patentfähig abgewiesen.

Schon 2013 hatte die Organisation TESTBIOTECH e.V. und ein Bündnis von Umwelt- und Tierschutzorganisationen Einspruch gegen zwei Patente von Intrexon auf gentechnisch veränderte Schimpansen eingelegt und verloren.

Unbeeindruckt von diesem Rückschlag reichten sie 2016 Beschwerde beim EPA ein. Dieser Beschwerde wurde nun stattgegeben.

Auch das Jane Goodall Institut Deutschland hat die Aktion unterstützt. Jane Goodall zu dieser Neuigkeit:

“ Ein klares Signal an alle Wissenschaftler, die leidensfähige Tiere nur als Werkzeug der Forschung betrachten.

Das EPA hat eine weise und verantwortungsvolle Entscheidung getroffen.“

Hier erging eine wichtige Präzedenzentscheidung, in der zum ersten Mal Ansprüche auf gentechnische veränderte Versuchstiere aus ethischen Überlegungen gänzlich zurückgenommen wurden.

«Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis das EPA an diesen Punkt gelangt ist und zum ersten Mal die Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren stark einschränken will», sagte Ruth Tippe von der Initiative „Kein Patent auf Leben!“. «Wir fordern nach wie vor ein generelles Verbot von Patenten auf Tiere aus ethischen Gründen.»

Bei den beiden nun für ungültig erklärten Patenten wurden Abschnitte von Insekten-DNA in die der Schimpansen eingefügt, um sie für Versuche geeigneter zu machen. Die Patente sollten sich gleichzeitig auch auf Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde, Rinder, Schweine, Pferde und Schafe erstrecken. Hunderte von Patenten auf Versuchstiere seien im Lauf der Zeit vom EPA erteilt worden, sagt Dr. Christoph Then von TESTBIOTECH, dass aber dann auch Menschenaffen als Erfindung gelten sollten, löste besondere Proteste aus.

„Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten, die 98,6% der Erbgut-Zusammensetzung mit uns teilen!“ betont Dr. Jane Goodall immer wieder.

Der nun vom EPA eingeschlagene Weg sollte jetzt auch für andere, ähnliche Fälle gelten: Denn es gibt noch viel mehr Patente auf gentechnisch manipulierte Tiere, auch auf Affen. Laut Dr. Then kämpft Testbiotech gerade gegen ein Patent der Max-Planck-Gesellschaft, das diverse Versuchstiere, u.a. auch Primaten beansprucht.

Unser großes Kompliment geht an die engagierte Gruppe um Testbiotech, die über lange Jahre nicht aufgegeben hat! Wir als JGI Deutschland sind stolz darauf, sie unterstützen zu dürfen.

Was wir jedoch nicht vergessen dürfen: Die gentechnischen Manipulationen an Tieren, auch an Affen, und die Versuche an ihnen gehen trotz allem weiter.

Man kann sie nur nicht mehr so einfach patentieren.

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